Manche Menschen bleiben in Erinnerung: Zum Beispiel eine unserer engagierten Frauen aus dem Frauenkreis. Sie kam immer mit ihrem eigenen Gesangbuch in den Gottesdienst. Wenn sie vor dem Gottesdienst noch etwas Zeit hatte, vertiefte sie sich in die hinteren Seiten und legte ihr Lesezeichen hinein.
Als mal nach einem Gottesdienst zum Kirchenkaffee eingeladen wurde, hatte sie ihr Gesangbuch in der Kirchenbank liegen gelassen. Nach einer fröhlichen Runde gingen alle nach Hause. Das Gesangbuch blieb in der Kirche zurück. Ich war neugierig und schaute, an welcher Stelle ihr Lesezeichen eingelegt war. Vermutlich las sie zuletzt vor dem Gottesdienst den 63. Psalm.
Dieser Psalm war bereits den ersten Christen als Morgengebet geläufig und vertraut – so wie heute in der älteren Generation Psalm 23.
Im 63. Psalm wird die Sehnsucht nach Gott ausgesprochen, der geholfen hat. Zugleich erzählt der Psalm, dass der Beter oder die Beterin am Tag und in der Nacht über Gott nachsinnt und sich dankbar aller der guten Taten erinnert, die Gott getan hat.
Alles Nachsinnen mündet dann in dem Satz, der im August Monatsspruch ist: Gott ist Helfer; er breitet seine Güte wie Flügel aus, unter denen der Mensch frohlockt. Bei dieser wohligen Geborgenheit bleibt es dann aber nicht; in den Versen 10 und 11 erinnert sich der Beter oder die Beterin, dass andere ihn oder sie verderben wollten, Gott aber behütete. Psalmen sind Gebete, die keiner Wahrheit aus dem Weg gehen und nichts schönreden. In diesen Gebeten leuchtet die Wahrheit.
Das sollte sie in Gebeten immer. Mit Schönreden ist beim Beten niemandem geholfen. Manchmal nimmt der Schmerz überhand. Dann gibt es nur eine Hilfe: dass der Schmerz zu Worten und zur Klage findet. Wir wissen oft nicht, warum etwas sein muss. Wir wissen aber hoffentlich noch, wohin wir uns mit unseren Klagen wenden können. Und wir vergessen später hoffentlich auch nicht, wem unser Dank gilt, wenn das Leben wieder gnädig zu uns ist.
Psalmen gibt es auch, damit wir nicht immer eigene Worte finden müssen. Wir dürfen uns jederzeit anlehnen an die alten Worte, die sagen: Gott ist mein Helfer; unter dem Schatten seiner Flügel frohlocke ich.
Frohlocken konnte auch die Eigentümerin am nächsten Morgen, als sie ihr vergessenes Gesangbuch entgegennahm: „Ich brauche es jeden Morgen für mein Morgengebet“, sagte sie und ging froh ihres Weges.
Ich wünsche allen, dass Gott viele solcher frohen Momente schenkt, weil beten zur Gewohnheit geworden ist.
Ihre Pfarrerin Beatrice Rummel
Kommentar schreiben