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Vorbilder

Diskutierende Menschen
Bild: Priscilla du Preez/ unsplash.com

Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken. Hebr 10, 24

 

In meinen Kindertagen erschuf ich gern ganze Städte aus Bausteinen und Spieltieren, die sich dann über mein ganzes Kinderzimmer erstreckten. Ich liebte die Scheren, Wassermalfarben und Pinsel, die sich auf meinem Schreibtisch drängten. Und natürlich die Herde von Kuscheltieren auf meinem Bett. Es war toll. Und auch ganz schön chaotisch. Manchmal suchte ich meinen Schlüssel. Oder die Zahnspange, die ich dann hinter dem Puppenhaus wiederfand. Den Versuchen meiner Familie, mich zum Aufräumen zu bewegen, trotzte ich mit eiserner Ignoranz.

 

Mittlerweile habe ich eine persönliche Vorliebe für freie Böden und aufgeräumte Schreibtische entwickelt. Niemand hat mich dazu gedrängt. Es waren vor allem andere Menschen, von denen ich lernte. Menschen, die ihre eigene Geschichte erzählten, wie sie sich nicht mehr in ihrem Chaos wohlfühlten und anfingen, es aufzuräumen. Ich las ihre Bücher und verfolgte ihre Videos in den sozialen Medien. Das ermutigte auch mich. Es war ihr Vorbild, das mir half, selbst etwas anders zu machen.

 

Wenn der Monatsspruch für Oktober die Worte aus dem Hebräerbrief in Erinnerung ruft, aufeinander zu achten und einander anzuspornen zur Liebe und zu guten Werken, dann – so meine ich – wird das auch nur auf diese Weise nachhaltig gelingen: durch ein ermutigendes Vorbild. Jesus zog drei Jahre lang mit seinen Jüngern durch Galiläa, Samarien und Judäa. Natürlich predigte er. Aber er wusch ihnen auch die Füße.

 

Aufeinander Acht zu geben, heißt nicht, andere zu kontrollieren. Es heißt: Sich für den anderen aufrichtig zu interessieren und gleichzeitig dessen Privatsphäre zu respektieren. Einander anspornen heißt nicht, zu bestimmen, wie wer zu handeln hat, sondern die eigene Geschichte zu teilen und auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren. Dann kann aus einem Chaoskopf auch ein Mensch werden, der nicht immer seinen Schlüssel sucht. Und aus solchen, die dachten, sie könnten nichts Gutes tun, solche, die ihren Weg gefunden haben, Glaube, Liebe und Hoffnung zu teilen.

 

 

Karin Großmann, Studierendenpfarrerin

 

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