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Näher als du glaubst

Entfernungen sind relativ. – Sie stehen zu zweit am Check-in. Sein Flug geht in 90 Minuten. Es wird ein langer Flug nach Südamerika. 10.000 Kilometer. Er wird ein ganzes Freiwilliges Soziales Jahr dort bleiben. Sie weiß es. Er hat es sich ausgesucht. Sie weint: „So weit weg! Das halte ich nicht aus. Ich brauche deine Nähe.“ Er hofft: „So weit weg ist das gar nicht! Wir können uns im Videochat sehen. Täglich. Wir werden uns näher sein, als du glaubst.“ – Dann muss er zum Gate. Beide umarmen sich. Sie bleibt zurück. Er bricht auf ins Weite. Ihr schnürt der Abschied die Kehle zu.

 

Entfernungen sind relativ. – In der Apostelgeschichte wird berichtet, wie Paulus in der Stadt Athen einen bemerkenswerten Satz sagt:

„Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns.“

 

Paulus sollte etwas über seinen Gott erzählen. In der ganzen Stadt gab es Statuen und Bilder von Göttern. Aber von seinem Gott gab es kein Bild. Wer nicht zu sehen ist, der kann er auch nicht in der Nähe sein, so dachten viele. In ihren Ohren klang dieser Satz wie eine steile Behauptung.

 

Wo ist Gott? Wo ist dein Gott? – Bei diesen Fragen verschlägt es einem die Sprache. Man wünscht sich, einfach irgendwohin zeigen zu können: Da ist er! Ganz nah! Direkt vor dir. Schau ihn dir an! Berühre ihn!

 

Wo ist Gott? Wo ist dein Gott? – Die Antwort des Paulus: Gott ist gar nicht weit weg. Gott ist dort, wo wir Menschen sind, „denn in ihm leben, weben und sind wir“ oder besser gesagt: „Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns, und haben wir unser Dasein.“ (BasisBibel)
Wenn wir Gott unsere Existenz verdanken, wenn er uns den Raum zum Leben gibt, dann muss er auch da sein, wo wir sind.

 

Entfernungen sind relativ. – Darum ist Gott Mensch geworden: Einer von uns. Ganz nah. Mit Haut und Haaren. Einer, der geliebt und gelebt hat. Einer der weiß, wie es ist, allein zu sein. Einer, der ermutigt und Menschen etwas zutraut.

 

Entfernungen sind relativ. – Ein Freiwilliges Soziales Jahr in Südamerika: Stellen Sie sich vor, dass die beiden Wege finden, in Kontakt zu bleiben. Dass sie auch über den großen Abstand ihre Liebe zueinander spüren. Dass diese Verbindung trägt. Wenn das unter Menschen gelingen könnte, dann müsste das doch auch mit Gott irgendwie gehen, von dem Paulus sagt: Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns.

 

Georg Zimmermann

Landesjugendpfarrer

 

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