Auf dem Weg vom Friseur zum Hafen, vorbei am Wochenmarkt und schnell noch zwei Straßen im Verkehrsinfarkt überquert; was treibt mich eigentlich?
Rechterhand eine Kirche, die vier Märtyrern geweiht ist, die noch 1824 von den Osmanen wegen ihres Glaubens hingerichtet worden sind. Das Portal steht offen, ich steige die Stufen empor und trete ein.
Die Hitze hat sich über die Stadt gelegt. Hier drin empfängt mich ein Duft von Weihrauch und Bienenwachs. Noch bevor sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt haben, sehe ich, nein: höre ich, wie ein Priester mir mit dem Weihrauchfass unter leisem Rasseln entgegenkommt. Er hat gesehen, wie ich die Kreuze in der richtigen (erst nach rechts, dann erst zum Herzen!) Richtung schlug, dass ich mich vor den Ikonen verneigte und eine Kerze entzündete.
Er lächelt milde.
Im rechten Seitenschiff wird ein Gottesdienst gefeiert. Erst nach und nach kann ich die Liturgie vom Dröhnen des Verkehrs, dem Knattern der Motorroller und dem dumpfen Grollen der Klimaanlagen unterscheiden. Liturg und Chor wechseln einander ab, dazu das ständige Klingeln des Räucherns: ein monotoner Singsang, welcher so vollständig aus der Welt gefallen ist, dass er mich in sich hineinzieht.
Vergessen ist alle Hast, vergessen der Vorsatz, nur schnell eine Kerze zu entzünden; ich setze mich, sehe mich um: Über mir im Tambour der Christus Pantokrator, in der Apsis thront die Gottesmutter mit dem Christusknaben.
Die Buntglasfenster werfen malerische Schatten auf die unzähligen Ikonen, die mir teils ernsten Angesichts, teils auch verschmitzt lächelnd ins Auge sehen.
Eine fremde Welt ist mir eröffnet. Als ich nach einiger Zeit wieder zu mir komme, sehe ich, dass die Besucher des Gottesdienstes sich jetzt in einer Reihe aufgestellt haben. Ein Priester reibt mit einer Reliquie über schmerzende Körperteile. Kreuzschlagend und lächelnd treten sie dann aus der Reihe und verlassen die Kirche.
Schon will sich mein protestantisches Herz aufbäumen und „Aberglaube!“ rufen. Aber dann fällt mir ein, was Christus sagte: Steh auf und geh heim; dein Glaube hat dir geholfen. Und das tat ich dann.
Jan Holfert
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