Sicher kennen Sie den Effekt: Ganz
selbstverständlich betritt man einen vertrauten Raum, ohne genaue Einzelheiten wahrzunehmen.
Man geht den gewohnten Weg durch die Stadt, zum Einkaufen, beim
Spaziergang, auf dem Arbeitsweg. Aber wie viele Bäume stehen da eigentlich? War die Gardine im Wohnzimmer auf- oder zugezogen?
Solch eine Betriebsblindheit ist meiner
Meinung nach eine ziemlich normale Angelegenheit. Trotzdem haben es
verschiedene Dinge verdient, einmal hervorgeholt zu werden – gerade wenn wir sie an ihrem selbstverständlichen Platz leicht übersehen.
Für uns in der Zionsgemeinde ist es normal, dass am Sonntag das schwedische Glaskreuz auf dem Altar steht, das wertvolle Altarbild hinter dem Lesepult hängt und rechts hinter dem Altar das Tragekreuz steht. Die meiste Zeit des Jahres blickt
von ihm der segnende Jesus auf uns, eine, wie ich finde, sehr schöne
Darstellung. Ist Ihnen aufgefallen, dass es eine Zeit im Jahr gibt, in der das
nicht so ist?
Zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag wird das Kreuz gedreht. Der Segnende verschwindet, er ist für uns nicht sichtbar. Nur die Dornenkrone als Zeichen für die Passion, das Leiden und Sterben unseres HERRN, ist sichtbar. Man muss sehr genau hinschauen, um zu entdecken, dass noch mehr dahinter sein muss. Das ist die Situation, die am Karsamstag war. Die grausamen Szenen am Kreuz hatten die Frauen und Jünger überstanden – und dann war eine große Leere. ER war nicht mehr da!
Dieses Gefühl, dass plötzlich nichts mehr so ist, wie es war, wie es uns Sicherheit
und Vertrauen gegeben hat, dass kennen sicher viele von Ihnen. Ein geliebter
Mensch ist nicht mehr, die Arbeitsstelle ist weg, eine schwere Krankheit stellt
die Zukunft in Frage.
Im Unterschied zu Maria und den Jüngern, die den Karsamstag aushalten mussten, ohne vom Ostersonntag zu wissen, glauben wir an die Auferstehung, das Geschenk von Ostern. Und wir können unser Tragekreuz im Ostergottesdienst wieder drehen. Vielleicht erleben wir es in diesem Jahr
besonders intensiv und schauen genauer hin. Der wieder in unseren Blick
kommende, segnende Jesus, der den Tod überwunden hat, wird so zu unserer
eigenen, besonderen Osterfreude.
Dazu lade ich Sie herzlich ein!
Claudia Kramer
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